Barrierefreie Bildung menschlich und digital kann gelingen

Bildung für alle – auch digital?!

Seit über einem Jahr herrscht Ausnahmezustand bei Schulen und Bildungsstätten. Der gewohnte Unterricht kann nicht mehr stattfinden. Viele kommen mit den digitalen Formaten an ihre Grenzen, für andere erschweren technische und physische Hürden den Zugang zu digitaler Bildung. Der Fokus der aktuellen Diskussion liegt auf der großen Gruppe der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkräfte. In ihrem Dialogforum lenkte die Stiftung Zenit ihren Blick auch auf alle weiteren Menschen. In einer digitalen Veranstaltung, die gleichzeitig digital und analog stattfand, ging sie der Frage nach, ob digitale Bildung für alle umsetzbar und pädagogisch sinnvoll ist.

Über 70 Menschen aus vielen gesellschaftlichen Bereichen trafen sich im digitalen Format und erlebten gleichzeitig, wie erfrischend und unterhaltsam eine digitale Veranstaltung sein kann. Die persönliche Begrüßung jedes Teilnehmenden und die spielerische Hinführung an die Technik ermöglichte auch denjenigen die Teilnahme, die den digitalen Formaten eher skeptisch gegenüber stehen. Am Ende diskutierten Menschen mit Behinderung mit Politikern, Senioren mit Pädagogen, Geschäftsführer mit Kirchenvertretern die Vor- und Nachteile digitaler Bildungsangebote.

„Bildung ist ein Motor, vielfältige Menschen in die Gesellschaft zu integrieren“, erklärt Stiftungsvorständin Andrea Stratmann. „Lernen ist Baustein des Erfolgs und die Stiftung Zenit setzt sich dafür ein, dass auch Menschen mit Nachteilen in Zeiten wie diesen an Bildung teilhaben können.“ Es steht mittlerweile außer Frage, dass digitale Angebote dabei helfen können. Doch es mehren sich die Rufe nach Präsenzveranstaltungen. Die Lust auf online hat nach einem Jahr deutlich nachgelassen und viele sehnen sich nach sozialer Beziehung. So unterstrich Dr. Matthias Burchardt, Akademischer Rat der Universität Köln, in seinem Impulsreferat wie wichtig menschliche Begegnung und Beziehung im Lernen ist. Er unterstützt das ursprüngliche Lernen auf Basis menschlicher Pädagogik. „Wenn die Digitalisierung dazu beitragen kann, ist das in Ordnung. Jedoch spielen Mensch und Beziehung die zentrale Rolle“, so Burchardt. Der Frage, ob wir bereits alle digitalen Möglichkeiten nutzen und gegebenenfalls das Lernen an sich revolutionieren sollten, geht Matthias Mölleney nach. Der Autor und Hochschuldozent sieht das digitale Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Eindrücklich zeigt er dies an zwei Bildpaaren: Während sich in den vergangenen 100 Jahren das Aussehen und die Funktionen des Telefons zum Smartphone gravierend verändert haben, hat sich beim Blick in Klassenräume im selben Zeitraum deutlich weniger getan. Die sich anschließende Diskussion verdeutlichte den Wunsch, die einzelnen Menschen bei der technischen Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Denn die fürs Lernen wichtige Beziehung zwischen den Menschen sollte nicht auf der Strecke bleiben.


Wie dies gelingen kann, zeigte die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Stadt Böblingen geförderte Veranstaltung selbst. Betreut und motiviert durch Patrick Cowden begegneten sich die teilnehmenden Menschen auf eine direkte und unmittelbare Art, wie sie selbst bei Präsenzveranstaltungen selten ist. Zufällig ausgewählte Kleingruppen von zwei bis vier Personen trafen sich in unterschiedlicher Zusammensetzung in sogenannten Break-out-Rooms. Dort lernten sie sich kennen und diskutierten mehrmals über zwei bis zehn Minuten, ob und wie digitale Bildung für alle umgesetzt werden kann. So entstanden wertvolle Begegnungen mit vielen Teilnehmern und nach jeder Runde kurze Rückmeldungen ans Plenum.

Am Ende der dreistündigen Veranstaltung fasste ein Teilnehmer zusammen: „Noch nie habe ich eine Veranstaltung erlebt, in der kritische Themen unterhaltsam und mit viel menschlicher Begegnung im digitalen Raum diskutiert wurden. So macht Bildung Spaß.“